Fokus-Stacking – aus der Not geboren

Was in der bildmäßigen Fotografie oftmals erwünscht ist – eine geringe Schärfentiefe – wird in der Makrofotografie zum Problem. Schon beim Abbildungsmaßstab β=1 ist sie nur noch ein paar Millimeter groß, selbst für eine Fliege zu wenig. Bei β=5 schrumpft sie auf ein Zehntelmillimeter und bei 100facher Vergrößerung unter dem Mikroskop bleiben nur noch wenige Mikrometer übrig. In der Makrofotografie ist die Schärfentiefe nur vom Abbildungsmaßstab, der Blende und dem Durchmesser des Zerstreuungskreises abhängig, nicht jedoch von der Brennweite, was oft für Verwirrung sorgt.

Übrigens wurde früher der Begriff Tiefenschärfe bevorzugt, der mir persönlich besser gefällt. Im Prinzip sagen aber beide Worte dasselbe aus, deshalb spricht auch nichts dagegen, beide zu verwenden.

Wie könnte man nun die ganze Fliege scharf abbilden? Durch Abblenden steigt zwar die Schärfentiefe und die Abbildungsqualität des Objektivs nimmt zuerst einmal zu, gleichzeitig macht sich aber die Wellennatur des Lichts immer mehr bemerkbar. Bei der »förderlichen Blende« ist das Optimum erreicht, danach wird jeder weitere Schärfegewinn von der zunehmenden Beugungsunschärfe wieder zunichte gemacht. Abblenden ist deshalb nur bis zu dieser Blende sinnvoll – und je größer der ABM, desto schneller ist sie erreicht.
Die Fliege in natürlicher Größe mit einem einzigen Foto scharf zu bekommen, funktioniert also nicht. Bleibt nur noch der unkonventionelle Weg, nämlich mehrere Fotos mit verschobener Schärfeebene anzufertigen. Diese Fotos, von denen jedes nur einen kleinen Schärfebereich repräsentiert, werden dann zu einem einzigen komplett scharfen Endergebnis zusammengesetzt. Von diesem »Stapel« an Fotos, engl. stack, hat das Verfahren auch seinen Namen bekommen: Stacken oder auch Focus Stacking.

Um die Schärfeebene über das Fotoobjekt zu bewegen, gibt es mehrere Möglichkeiten. Zum Beispiel kann am Fokusring des Objektivs gedreht werden oder das Objekt (bzw. die Kamera) wird als Ganzes verschoben. Bei kleineren Abbildungsmaßstäben funktioniert der Fokusring recht gut, bei größeren ist aus Sicht der Automatisierbarkeit und der Präzision das Verschieben die bessere Methode. Bleibt die Frage, was bewegt werden soll, Kamera oder Objekt? Prinzipiell ist es egal, weil aber ohnehin nur Objekte in Insektengröße vorgesehen waren und diese sich leichter und präziser bewegen lassen als die schwere Kamera, war der grundlegende Aufbau geklärt.

Einfluß der Blende auf die Schärfentiefe

Aluprofile gegen Vibrationen

Auch kleinste »Mikroerschütterungen«, die mit dem bloßen Auge nicht wahrnehmbar sind, werden mit dem Abbildungsmaßstab vergrößert und reduzieren die Bildschärfe. Die Hauptanforderung, die an den »Unterbau« gestellt wird, ist deshalb Stabilität und nochmals Stabilität. Eigenschwingungen und Störeinflüsse von außen sollten am besten gar nicht erst auftreten oder müssen so weit gedämpft werden, daß sie sich im Ergebnis nicht bemerkbar machen.

»Rückgrat« des Ganzen ist deshalb ein massives Aluprofil von 52cm Länge, das extrem verwindungssteif und schwingungsdämpfend ist. Zwei kleinere seitliche Profile sorgen für einen sicheren Stand auf vier Füßen aus Sorbothane, einem speziellen Kunststoff zur Dämpfung und Absorption von Körperschall und anderen Vibrationen.
Ein weiterer Vorteil dieser Aluprofile ist die Möglichkeit, mittels Käfigmuttern zusätzliche Teile anschrauben zu können.
Auf dem Längsträger befindet sich ein zweites verschiebbares Aluprofil, das das Balgengerät trägt. Dafür wurde das »große Balgengerät« der ehemaligen Dresdner Firma Ihagee eingesetzt, das noch immer in gutem Zustand im Gebrauchtwarenhandel erhältlich ist. Es ist nicht nur stabil, sondern ermöglicht Auszugsverlängerungen bis 200mm. Der Balgen selbst ist auf einem Schwalbenschwanzprofil befestigt, wo er frei positioniert werden kann. An beiden Seiten besitzt er M42-Anschlüsse, so daß sich nahezu jedes fotografische Gerät über den entsprechenden Adapter anschließen läßt.
Sollte der Auszug nicht ausreichen, kann ein weiteres Balgengerät angeschlossen werden. Eine Aluplatte dient als Support, um Verwindungen oder Schwingungen auszuschließen.
Der Objekttisch aus massiven Aluplatten ist an einem senkrechten Aluträger befestigt, zur Höhenverstellung dient der Feintrieb eines ehemaligen Mikroskops. Auf einer kugelgeführten Linearbühne, die die X-Achse bildet, ist ein weiterer Miniaturfeintrieb montiert, der manuell um ±5mm in Y-Richtung verstellt werden kann. Darauf sitzt der eigentliche Objektträger, ein frei verstellbares Magnetkugelgelenk.

Während die Y- und Z-Achse nur Einstellachsen sind, die einmal justiert werden, erfordert die Bewegung des Objekts in X-Richtung höchste Präzision. Ein Fall für die Linearführung, die sehr reibungsarm und mit Toleranzen zwischen Null und wenigen Mikrometern über den gesamten Verschiebeweg von 30mm läuft. Wichtig ist, daß die X-Achse parallel zur optischen Achse verläuft. Je geringer die Abweichung, desto weniger Bildfehler später.

Prinzipiell ist das Gerät für den horizontalen Betrieb gedacht, weil sich so am bequemsten arbeiten läßt. Für manche Fotoobjekte, z.B. Samen oder ähnliches »Schüttgut«, kann die komplette Anlage aber auch senkrecht gestellt werden.

Objekttisch auf dem Linearschlitten. Vorn der Endschalter
Objekttisch mit Magnetgelenk
Justierung der X-Achse

Nanoschritte - der Antrieb

Der Vorschub wird von einem Linear-Aktuator mit 25mm Hub ausgeführt. Er überträgt die Kraft punktförmig auf den Schlitten, so daß Verspannungen vollständig vermieden werden. Der Aktuator besteht aus einem Schrittmotor mit 200 Vollschritten/Umdrehung und einer hochpräzisen Spindel mit einer Steigung von 0,5mm. Der Schrittmotor-Treiber unterteilt jeden Vollschritt in 16 Mikroschritte, so daß sich pro Umdrehung 3200 Mikroschritte bzw. ein linearer Vorschub von 0,156µm/Mikroschritt ergibt.

Daß diese Präzision nicht nur auf dem Papier steht, zeigte ein Test mit einem elektronischen Längenmeßgerät, das auf 1µm auflöste. Für den Vorschub von 10mm gab der µC 64000 Schritte aus. Das Messgerät zeigte 9,998mm an, eine Toleranz von 2µm.

Die zusätzliche Mikrometerschraube dient zum manuellen Ausmessen des Objekts bzw. zur Einstellung der Startposition. 

Die maßgeschneiderte Ansteuerelektronik

Der zentrale Mikrocontroller (µC) berechnet anhand des gewünschten Verschiebewegs und der Anzahl der Fotos die Zahl der erforderlichen Schritte und steuert die Kamera, i.a. eine Nikon D7000.
Insgesamt sind drei Betriebsmodi möglich, wobei in den Modi 1+2 der Verschiebeweg auf 0,25-24,75mm begrenzt wurde, um den Motor nicht in den Anschlag zu fahren.
Die Kamera wird auf M(anuell) eingestellt und muß mittels Fernsteuerkabel mit der Steuerelektronik verbunden sein. 

  • Im Modus 1 fährt der Motor die gewünschte Position an, dann folgt eine einstellbare Zeit von 1-8s, um eventuelle Vibrationen abklingen zu lassen. Am Ende der Wartezeit löst der Mikrocontroller die Kamera am Fernsteuereingang aus. Ihr interner Blitz fungiert als Master, der alle anderen Blitze per Slaveauslöser zündet.
  • Im Modus 2 wird die Offenblitztechnik benutzt, deshalb ist diese Betriebsart nur in völliger Dunkelheit möglich. Nachdem der Motor die Position angefahren hat, wird der Verschluß in der Betriebsart B geöffnet und die eingestellte Zeit mit offenem Verschluß gewartet. Am Ende der Wartezeit löst der µC einen externen Masterblitz aus und schließt den Kameraverschluß wieder. Durch die Entkopplung von Blitz und Kameraverschluß sind auch die letzten Vibrationen ausgeschlossen.
  • Der Modus 3 ist für sehr große Abbildungsmaßstäbe mit dementsprechend geringer Tiefen-schärfe gedacht, wo extrem kleine Verschiebewege zwischen zwei Fotos notwendig werden können. Er erlaubt die direkte Eingabe der Schrittzahl von 1-59999, wobei jeder Schritt dem geringstmöglichen Vorschub von 0,156µm entspricht. Über einen zusätzlichen Vorteiler kann die Anzahl der Schritte zwischen zwei Bildern auf 2-99 vergrößert werden.

Außerdem erlaubt die Steuerelektronik die manuelle Grob- und Feinpositionierung des Motors per Tastendruck. Ebenfalls möglich ist der vorzeitige Abbruch und die erzwungene Rückfahrt in die Startposition.
Zur Stromversorgung dient ein 24V-Steckernetzteil, das sowohl den Schrittmotor als auch die µC-Elektronik versorgt.

Der zentrale µC ist ein PIC18F2560, eine RGB-LED zeigt den aktuellen Betriebsmodus an.

Rückseite

Abschätzung der Eingabewerte

Damit die Steuereinheit überhaupt etwas berechnen kann, muß sie mit den notwendigen Daten »gefüttert« werden, also mit dem Verschiebeweg und der Anzahl der Fotos. Die Anzahl hängt wesentlich von der Tiefenschärfe und damit von der Blende ab. Deshalb wird zuerst die förderliche Blende nach [1] ermittelt, die später am Objektiv eingestellt wird (oder auch nicht). Sie wird vom zulässigen Zerstreuungskreisdurchmesser D, dem Abbildungsmaßstab β und der Lichtwellenlänge λ bestimmt (mit grünem Licht bei λ=550nm macht man keinen Fehler).

Beispiel: D=0,018x10-3 m, λ=550x10-9 m und β=3.

Das Ergebnis für die förderliche Blende ist Bf=6,6. Gibt man übrigens als Abbildungsmaßstab β=0 ein, erhält man den Blendenwert 26,8 - quasi die förderliche Blende für Unendlich. Es ist kein Zufall, daß Blende 28 die größte ist, die an den meisten Objektiven einstellbar ist.

Mit der förderlichen Blende als Anhaltswert kann nun mit Formel [2] die Schärfentiefe S bestimmt werden. Der Term Bx[β+1] repräsentiert quasi die effektive Blende, die den Bereich 20-28 nicht überschreiten sollte. Gibt man die obigen Werte in [2] ein, erhält man S=0,1mm.

In Formel [3] wurde der Term 2xD durch den Proportionalitätsfaktor 0,04 ersetzt. Damit gilt die Formel strenggenommen nur noch für das APS-C-Format, allerdings erhält man das Ergebnis direkt in Millimeter.
Welche Schrittweite wirklich gewählt wird, muß ausprobiert werden. Normalerweise sollten mindestens drei Schritte innerhalb der Schärfentiefe liegen, also wäre eine Schrittweite von 0,03mm ein guter Anfang.
Die Anzahl der Fotos hängt von der Ausdehnung des Objekts ab. Ein Marienkäfer mit der Länge von 5mm würde 5/0,03=166 Einzelbilder erfordern. Mit etwas »Luft« könnte man in das Steuergerät Verschiebeweg=6mm und Bildanzahl=200 eingeben.

Mit einer größeren Blendenzahl wäre die Tiefenschärfe größer und man würde mit weniger Schritten auskommen – auf Kosten der Auflösung. Mit einer kleineren Blende wäre die Auflösung höher, es wären aber auch mehr Fotos erforderlich. Welche Effekte auftreten, wenn die Parameter nicht zusammenpassen, ist eine Frage des Experiments. DIE richtigen Werte gibt es nicht, aber man kann die besten per Versuch herausfinden. Der automatische Vorschub ist dabei eine große Hilfe, denn 200 Fotos dauern bei 4s Wartezeit immer noch ca. 15min.

Die Beleuchtung

Zum Einstellen dienen zwei helle 3W-LED-Spots mit neutralweißem Licht und einem Abstrahlwinkel von 10°. Für die eigentliche Belichtung werden mehrere Blitzgeräte eingesetzt, die zur Vermeidung von Verwacklungsunschärfe mit reduzierter Blitzdauer arbeiteten. Bei moderaten Abbildungsmaßstäben und wenig Abblendung reichte meist die Teilleistungsstufe 1/64 für ISO100, was bestmögliche Bildqualität garantierte.
Mit der Nikon D7000 als Master wurde leider nie die vorgewählte Bildzahl erreicht, sondern ca. 20% weniger. Nach langem Suchen stellte sich als »Übeltäter« der interne Blitz heraus, der selbst in Leistungsstufe 1/128 vom Akku der D7000 nicht schnell genug nachgeladen werden konnte. Alle fünf Auslösungen streikte er und blockierte die Auslösung komplett. Erst als der Kameraakku durch ein Netzteil ersetzt worden war, funktionierte auch der Blitz wie erwartet und zwischen voreingestellter und realer Bildzahl gab es keine Abweichungen mehr.

Obwohl das harte Licht mittels Diffusor gestreut wurde, waren die Ergebnisse trotzdem oft unbefriedigend. Vor allem bei Insekten mit hochglänzenden Chitinpanzern störten Überstrahlungen, ausgefressene Stellen und zu hohe Kontraste. Auch Experimente mit anderen Diffusoren brachten kein wirklich brauchbares Ergebnis, weil sie entweder nicht genug wirkten oder zu viel Licht kosteten.

Deshalb wurden versuchsweise selbstleuchtende Folien auf der Basis von Elektrolumineszenz (EL) eingesetzt, die für eine nahezu ideale schattenfreie Ausleuchtung sorgten. Ihr Nachteil war die schlechte Spektralverteilung des Lichts, die sie für fotografische Zwecke nur beschränkt einsetzbar machten. Dazu kam die geringe Helligkeit, die relativ lange Belichtungszeiten von mehreren Sekunden erforderte. Ersteres hat sich mit den Aurora Flatfield-Leuchtfolien verbessert, die ein recht lückenloses kontinuierliches Spektrum besitzen. Kleinere Farbabweichungen lassen sich mit der Bildbearbeitung leicht korrigieren.
Weil die Ergebnisse auch auf hochglänzenden Oberflächen wesentlich besser waren als mit Blitzbeleuchtung und Diffusor, wurde die Hard- und Software der Steuereinheit so geändert, daß die Leuchtfolie direkt angeschlossen werden kann. Wegen der langen Belichtungszeiten ist der Betrieb aber nur bei völliger Dunkelheit möglich (Modus 2, Offenblitztechnik).

links Blitz, rechts Leuchtfolie

Blitz-Diffusor

Die Leuchtfolie mit Transverter
Alle Farben vorhanden
Der »Lichttunnel« im Einsatz

Die Objektive und die Kamera

Derzeit stehen fünf Objektive zur Verfügung, mit denen sich der ABM-Bereich von etwa 0,5 bis 20 abdecken läßt. 

Leitz Photar 2,4/25

Canon Lupenobjektiv 2,8/35

EL-Nikkor 2,8/50 m. Adaper

Leitz Photar 5,6/80

Leitz Photar 5,6/120

ABM 7-16

ABM 2-6

ABM 2-10

ABM 1-4

 

ABM 0,5-2

Bis auf das EL-Nikkor sind alle Objektive echte Makro- bzw. Lupenobjektive, die für den jeweiligen Abbildungsmaßstab optimiert wurden. Ein besonderer Vorzug der Photare sind die 16 Blendenlamellen, die kreisrunde Blendenbilder erzeugen. Gerade bei Blitzbeleuchtung ist das oft die Voraussetzung für einen ruhigen Bildeindruck und ein angenehmes »Bokeh«. Das Canon-Objektiv besitzt neun Lamellen und das EL-Nikkor immerhin noch acht. Als VG-Objektiv ist es auch das einzige, das bei einem ABM>1 umgedreht werden muß. Die Bildqualität der Lupenobjektive ist über jeden Zweifel erhaben, wobei das 80er Photar auch an der Sony A6000 eingesetzt wird und selbst außerhalb seines »nativen« ABM-Bereiches problemlos mit dem hochauflösenden Sensor zurechtkommt. Das EL-Nikkor fällt in der Gesamtschärfe  etwas ab, besonders CAs (chromatische Bildfehler) werden sichtbar.

Die Nikon D7000 hat den Vorteil, daß sie noch mit der »alten« Nikon-Software Capture NX2 und ihren genialen Kontrollpunkten zusammenarbeitet (gilt auch für die D7100). Mit diesem Programm wird ein NEF-File optimiert, d.h. der Weißabgleich und optional weitere Korrekturen durchgeführt. Alle Änderungen werden dann per Batch-Prozeß auf sämtliche NEF-Files angewandt. Das Endergebnis sind 16Bit-TIF-Files als Input für das Stacking-Programm.

Die Stacking-Software

Hier bin ich bei Zerene Stacker »hängengeblieben«, das ich schon seit seiner Entwicklungsphase einsetze. Zerene ist nicht kostenlos, aber es gibt natürlich eine kostenfreie Trial-Version. Insgesamt gehört Zerene sicherlich zur Oberklasse der Stacking-Programme und es gab noch keinen Grund, ein anderes einzusetzen.
Es bietet zwei verschiedene Berechnungsmethoden (DMap und PMax), die entweder einzeln oder auch kombiniert angewandt werden können. Ein besonderes Highlight ist die Retusche-Möglichkeit (Retouching), mit der Bildteile, die im Endergebnis fehlen oder fehlerhaft sind, aus einem der Stacks herauskopiert und übernommen werden können.
Während Bilder mit 10MPixel Auflösung (nicht zu verwechseln mit der Filegröße in MByte) noch problemlos mit der 32Bit-Version verarbeitet werden konnten, erfordern die aktuellen hochauflösenden Sensoren praktisch immer die 64Bit-Version des Programms unter einem ebensolchen Betriebssystem.
Die Stacking-Software ist aber nur der eine Schuh, mindestens genauso wichtig ist die finale Bildbearbeitung zur Entfernung der restlichen Bildfehler. Dafür setze ich Photoshop CS6 ein.

Sowohl die Stapelverarbeitung der NEFs mit CNX2 als auch das eigentliche Stacken mit Zerene sind extrem rechenintensive Prozesse, die selbst mit einem modernen Prozessor schon einmal eine halbe Stunde oder länger dauern können. Je leistungsfähiger der Rechner, desto mehr Zeit läßt sich hier sparen.

Irrungen und Wirrungen

Leider gibt es kaum Stacks, die fehlerfrei aus der Kamera kommen. Irgendein Stäubchen auf dem Sensor oder einen Fleck auf dem Hintergrundkarton besitzt fast jedes. Was auf dem Einzelfoto aber kaum auffällt, summiert sich im Laufe des Stacking-Vorgangs zu veritablen Bildfehlern.
Besonders unangenehm sind die als »Würmer« bekannten Linien, die sich mehr oder weniger krumm durch das Bild ziehen. Ihre Ursache liegt in der scheinbaren Größenänderungen des Objekts, während es sich auf die Kamera zubewegt. Diese Änderung der Perspektive wird vom Stacking-Programm herausgerechnet mit der Folge, daß Bildfehler ihren Ort ändern. Das Ergebnis sind die Striche. Die Perspektive ändert sich umso stärker, je größer die Verschiebung im Verhältnis zum Abstand Objektiv-Objekt ist. Oder anders gesagt, bei gleicher Verschiebung führt ein Objektiv mit langer Brennweite zu weniger perspektivischer Änderung als eines mit kurzer Brennweite. Eine sorgfältige Reinigung des Sensors kann jedenfalls eine erhebliche Arbeit bei der späteren Bildretusche sparen.

Bildfehler aufgrund der Perspektivänderung

Als Nebeneffekt deuten die Striche aber auch an, wie gut oder schlecht die Verschiebebewegung ausfällt. Wenn sie sich quasi geradlinig nach innen in einem Punkt treffen, verlief die Bewegung ebenfalls geradlinig und parallel zur optischen Achse. Sind es eher Schlangenlinien, »eiert« irgendetwas.
Von dem o.g. Problem sind quasi alle optischen Systeme betroffen, deren Strahlengang divergent verläuft. Besser wäre ein paralleler Strahlenverlauf, in dem das Objekt unabhängig von seiner Entfernung immer gleich groß abgebildet würde.
Solche Objektive gibt es, sie nennen sich telezentrisch und kommen hauptsächlich in der industriellen Bildverarbeitung zum Einsatz. Wegen des parallelen Stahlenverlaufs muß aber der Durchmesser der Frontlinse mindestens so groß sein wie das Objekt. Telezentrische Objektive können deshalb enorme Abmessungen erreichen und sind wegen ihrer Kosten für den privaten Gebrauch kaum geeignet.
Andere Bildfehler sind die sog. Halos, die wie ein unscharfer heller Saum das eigentlich Objekt umranden. Sie sind Überbleibsel von Bildteilen, die im Verlaufe des Stackingprozesses entstanden sind und vor hellem Hintergrund meist weniger stören als vor dunklerem. Fehler können auch auftreten, wenn sich einzelne Objekte überlappen oder am Bildrand nur noch als Abrißkante erscheinen. 
Was sich nicht von vornherein durch Erfahrung vermeiden läßt, muß mit der Retouching-Funktion des Stacking-Programms korrigiert werden. Viele Fehler sind aber ein Fall für die finale Bildbearbeitung, die bei detailreichen Objekten sehr aufwendig sein kann.

Das Ende des herkömmlichen Stackens naht

Aufwendige Anlagen wie die oben beschriebene erlauben zwar extrem detailreiche Bildergebnisse, sie besitzen aber einen prinzipbedingten Nachteil: Während des oft minutenlangen Stackingvorganges darf sich nichts bewegen. Deshalb eignen sie sich ausschließlich für unbelebte oder tote Objekte.
Wer ein lebendes Objekt in freier Natur "stacken" will, muß sich anders behelfen. Eine Methode wäre z.B., ein Video aufzunehmen. Mit viel Erfahrung und Gefühl können damit innerhalb von Sekunden dutzende oder gar hunderte Aufnahmen angefertigt werden, die anschließend aus dem Video extrahiert und in das Stacking-Programm eingegeben werden. Das übliche Full-HD-Format ist mit 1920x1080 Pixel noch nicht das »Gelbe vom Ei«, besser sieht es schon mit 4k- oder gar einem kommenden 8k-Videos aus.
Aber auch die Kameraindustrie ist nicht untätig. Während sie die Highspeed-Fotografie völlig ignoriert, hat sie sich für das »Live-Stacking« einiges einfallen lassen. Besonders zu nennen wären hier die Firmen Panasonic und Olympus, die ihren neueren Kameras einen sog. Fokus-Bracketing-Modus spendiert haben. Auch die Nikon D850 besitzt einen solchen Modus, bei dem die Kamera den Fokus-Motor des Objektivs schrittweise über einen bestimmten Bereich steuert, ohne daß manuell eingegriffen werden muß. Ein weiterer Vorteil dieser kamerainternen Modi ist, daß der mechanische Verschluß zunehmend vom elektronischen ersetzt wird. Das ist nicht nur lautlos, sondern schont auch die Mechanik.
Der Nachteil ist, daß genügend Dauerlicht vorhanden sein muß, denn mit Blitz funktioniert das Verfahren (noch) nicht. In Zeiten von Taschenlampen, die mehrere tausend Lumen abstrahlen, sollte das aber kein unlösbares Problem sein.